Unter dem Namen Allgemeine Kunstwissenschaft formierte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Initiative zur interdisziplinären und gegenstandsnahen Erforschung der Kunst. Von den Philosophen Max Dessoir und Emil Utitz initiiert, entwickelte sie sich rasch zu einem wissenschaftlichen Forum mit einer eigenen Zeitschrift, Kongressen und einem Verein. Die Allgemeine Kunstwissenschaft prägte den Austausch und die Zusammenarbeit von Kunstwissenschaftlern im deutschen Sprachraum und galt international als Inbegriff einer avancierten Kunstforschung. Dieses Projekt zur Grundlegung einer Allgemeinen Kunstwissenschaft wird hier in einem Quellenband und einer Monographie erstmals umfassend rekonstruiert: (1) als Institution mit diversen Plattformen, die bis heute nachwirken, (2) als Initiative in einem spezifischen Kontext, der von der empirischen Ästhetik, der Einfühlungsästhetik und dem Formalismus eines Konrad Fiedler bis hin zur Phänomenologie und dem Strukturalismus der Prager philosophischen Tradition reicht, und (3) als Idee, die auf diese Problemlagen reagiert und unterschiedliche wissenschaftstheoretische Entwürfe zeitigt. Als Protagonisten der methodologischen Grundlegung einer Allgemeinen Kunstwissenschaft werden dabei neben Dessoir und Utitz insbesondere die Kunsthistoriker August Schmarsow (1853-1936), Richard Hamann (1879-1961) und Edgar Wind (1900-1971) vorgestellt.